Brahms und Schumann vom Feinsten im Ehrenbergsaal

Bruchsaler Kammerchor in Bestform
Es ist schon ein besonderes Wagnis, mit einer 35 Stimmen zählenden Chorgemeinschaft ein solches Mammutprogramm einzustudieren und mit hohem künstlerischem Anspruch gekonnt zu präsentieren. Das kann mit Erfolg nur unter professioneller Leitung realisiert werden: Sebastian Hübner, selbst gefragter Oratorientenor und Schüler u.a. von Gerd Türk, lehrt an der Hochschule für Kirchenmusik in Heidelberg Gesang und Oratoriengestaltung. Seit 2019 leitet er den hochmotivierten Bruchsaler Kammerchor. 
Die Liebeslieder Opus 52 von Johannes Brahms und seine Zigeunerlieder Opus 103 forderten vom Chor in Tempi, Dynamik und Artikulation extrem kontrastierende Gestaltungsvarianten vom feinsten Piano bis zum gesunden Forte, von zart-lyrischer Geschmeidigkeit bis zum ungestüm-mächtigen Aufbrausen.
Dazwischen gestaltete Toshiki Esau die Waldszenen Opus 82 von Robert Schumann. Seine Interpretation spiegelte die hohe Professionalität des Pianisten mit einem bezaubernden Klangfarbenrausch am Leihflügel, der vom Chor kostspielig angeschleppt werden musste, weil ein solches Instrument im Ehrenbergsaal des Bruchsaler Bürgerzentrums noch immer nicht zur Verfügung steht.
Im vierhändig zu begleitenden Liebesliederzyklus sprang Hinako Fujimoto für die erkrankte Mirjam Schulze ein und verlieh zusammen mit ihrem kongenialen Duopartner dem gesamten musikalischen Erlebnis ein nahezu orchestrales Klangbild. Die Leichtigkeit des Klavierspiels mit perlendem Diskant, satten Bässen immer gelingenden Ritardandi bilden mit dem Chor eine symbiotische Einheit, die Maßstäbe setzt. Online und in dem aufwändig gestalteten Programmheft lässt sich über das Künstlertrio Clara und Robert Schumann mit Johannes Brahms viel Interessantes, Erfreuliches und künstlerisch Produktives nachlesen, das Bernhard Dedera zwischen den musikalischen Beiträgen versiert vortrug. Das glückliche Brahms-Schumann’sche künstlerische Zusammenwirken hat der Nachwelt zeitlose Kleinodien von besonderem Rang beschert. Ein Segen, dass das an anspruchsvoller Klavier- und Chormusik interessierte Publikum in Bruchsal miterleben durfte. 
Mit glasklaren Tempovorgaben reißt Sebastian Hübner seine Sängerinnen und Sänger mit, wobei die professionelle Stimmbildung aller Choristen von Carmen Buchert nicht zu überhören war. Die Frauenstimmen waren in Tempi und Artikulation extrem homogen und den Chortenören wurde eine Intonationsakrobatik zugemutet mit ständigen Wechseln von der Bruststimme ins Falsett, nicht selten am Anfang der Lieder, bisweilen auch rein tenorsolistisch. Doch Hübner führt quasi als Mitsänger, atmet und phrasiert und seine Chorsängerinnen folgen ihm, als stünde er leibhaftig auf der Seite des Chores. „Oh die Frauen“ singen nur die Männer, „Kleiner hübscher Vogel“ nur der Chortenor, die „Hopfenranke“ wird zum interpretatorischen Highlight. 
Neben einem reinen Unisono-Lied der Soprane „Wohl schön bewandt“ tobt im Fortissimo „Nein, es ist nicht auszukommen“, dessen zweite Strophe in andächtigem Piano versinkt. 
Im Programmheft findet sich von Clara Schumann ein hochaktueller, auch nachdenklicher Hinweis: „Merkwürdig erscheint es mir, wie die Schrecknisse von außen die inneren poetischen Gefühle in so ganz entgegengesetzter Weise erwecken“. Das ist dem Bruchsaler Kammerchor am 7. Mai vorzüglich gelungen.
Johann Beichel

Johannes Brahms’ elf »Zigeunerlieder«* op. 103 zählen zu den be­­liebtesten Chormusik-Werken der Romantik. Diese Lieder zeic­hnen sich aus durch heiße Leidenschaften und Rhythmen, wie Brahms sie in den ungarischen Kapellen in Wien und Budapest kennengelernt hatte. Die »Liebeslieder« op. 52 sind eine bezaubernde Kompo­sition aus 18 Liedern, in denen Brahms auf vielfältige Weise Liebe, Sehnsucht, Lust, Leid, Zorn und Spott zum Klingen bringt. Die Uraufführung mit Clara Schumann und Johannes Brahms am Klavier fand im Januar 1870 in Wien statt. Die Stücke sind geprägt durch subtile Stimmführung, durch den exotischen Reiz der Harmonien und den ungemein schwierigen Klavierpart. Clara Schumann schreibt in ihrem Tagebuch: »Es war überfüllt auf dem Orchesterpodium, sodaß ich nie wußte, wie ich an’s Klavier kommen sollte. Ich spielte sehr glücklich, das Publicum war in wahrem Enthusiasmus.«

* »Zigeuner« als rassistisches Schimpfwort führt dazu, dass die Verwendung dieses Wortes heute nicht mehr möglich ist. Brahms selbst gebrauchte den Begriff als Ausdruck seiner Liebe und Leidenschaft für die ungarische Musik, als Projektion seiner roman­tischen Gedanken.

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